Die Jahrhundert 11
Torwart: Frank Rost
Im Tor beginne ich mit einem Spieler, der etwas geschafft hat, was kein anderer Bremer vor und nach ihm so gut hinbekommen hat: auch nach seinem Wechsel zu von mir gehassten Teams (namentlich Schalke und den HSV) war er mir, aufgrund seiner Art, aufgrund seiner Statements, aufgrund seines Willens, sympathisch.
Weitere Spieler wie Dieter Burdenski, immerhin Rekordspieler Werders in der Bundesliga, Oliver Reck, der als Pannen-Olli bekannt wurde, aber immerhin 5 Titel mit Werder holte, Günter Bernhard, der 1965 die erste Meisterschaft Werders festhielt mit einem Gegentor-Negativrekord oder Tim Wiese, der uns in der Gegenwart des Öfteren den Arsch rettet, wären für die Torhüterposition ebenso gut geeignet.
Fäustel, wie Frank Rost aufgrund seiner Pranken immer genannt wird, ist für mich jedoch der Beste Bremer Keeper aller Zeiten gewesen: zuerst jahrelanger Bankdrücker hinter Olli Reck und Hansi Gundelach schaffte er nach Recks Wechsel zu Schalke 1998 den Sprung als Nummer 1 und wurde in Bremen sogar Nationalspieler. Unvergessen sein wohl bestes Spiel seiner Karriere, als er im Pokalfinale 1999 in Berlin die Bayern-Spieler regelrecht zur Verzweiflung trieb, im Elfmeterschießen eiskalt verwandelte und den letzten Schuss von Lothar Matthäus hielt. Seine Paraden in diesem Spiel – und die Stückzahl – das habe ich nie mehr in einem Fußballspiel gesehen! Legendär seine Interviews nach dem Pokalgewinn, als Werder, die nur knapp dem Abstieg entkamen und mit einem Trainernovizen Thomas Schaaf gerade so noch die Kurve gekriegt haben, als David den Goliath Bayern niederkämpfte. Bereits vorher, im Halbfinale dieser Pokalsaison, hielt er beim 1-0-Sieg in Wolfsburg einen Elfmeter und wehrte Schüsse ab, die man eigentlich gar nicht halten konnte… und das damals mit einem völlig lädierten Knie.
Ihm habe ich es nie übel genommen, Werder verlassen zu haben. Auch wenn er nur für 4 Jahre unser Stammkeeper war und 2002 nach Gelsenkirchen wechselte, hat er mich am nachhaltigsten beeindruckt. Er nahm nie ein Blatt vor den Mund, kämpfte stets bis zum Umfallen, rüttelte Spieler, Funktionäre wach und ist auch heute noch, wo er jetzt bei den Red Bulls New York zusammen mit Thierry Henry spielt, ein Sympathieträger. Er setzt sich bis heute stark für die Rechte der Fans ein, spricht heikle Themen an und kritisiert Leute und Entscheidungen, wo viele nicht den Arsch in der Hose für haben. Danke Fäustel!!!
Manndecker: Valerien Ismael
Noch so ein Spieler, der nur kurze Zeit für Werder gespielt hat, mich aber so was von geplättet hat, dass ich mich bis heute noch nach ihm zurück sehne: Vale Ismael, Sinnbild Bremer Leidenschaft, Akribie und Herzblut!2003 als Mittelmaß-Verteidiger aus Strasbourg nach Bremen gekommen, war er ein völliger No-Name in der Bundesliga. Innerhalb weniger Wochen entwickelte er sich aber zu einem der besten Verteidiger der Liga und sorgte gemeinsam mit seinem Innenverteidiger-Kollegen Mladen Krstajic für ein Bremer Abwehr-Bollwerk. Vor allem wegen unserer Defensivstärke, des Kollektivs und des unbändigen Willens wurden wir 2004 Meister und Pokalsieger – Valerien Ismael mittendrin und hauptverantwortlich.
In Bremen haben bereits viele Ausländer die Schuhe geschnürt, manche haben nie ein Wort Deutsch gesprochen, manche versuchen es bis heute vergeblich: Vale hat innerhalb weniger Wochen die Sprache gelernt, sie in Interviews gesprochen und damit seinen Willen zum Ausdruck gebracht, Führungsfigur im Bremer Spiel zu sein. So viel Identifikation eines Neuzuganges habe ich vorher und nachher nie mehr erlebt. Als Werder im April 2005 im Halbfinale des Pokals auf Elfmeterschießen ausgeschieden ist, vorher 120 aber ein überragendes Spiel gemacht hat, heulte Vale wie ein kleines Kind. Vorher hatte er sich wie kein Zweiter gegen die Niederlage gestemmt, den 1-1 Ausgleich geschossen, 2x auf der Linie gerettet und im Elfmeterschießen Verantwortung übernommen. Seine Tränen waren Ausdruck einer völligen Identifikation mit dem Verein, mit Werder.
Sein Wechseltheater wenige Wochen später, als er zu den Bayern wechselte, konnte ich ihm zuerst nicht verzeihen, da er sehr widersprüchliche Aussagen tätigte, die Werder in Verruf brachten. Aber wenn man heute ins vereinseigene Museum im Inneren des Weserstadions geht, hängt dort ein handgeschriebener Brief Ismaels, indem er mir noch einmal gezeigt hat, wie sehr er sich mit Werder identifizierte und dass diese Zeit rund um den Wechsel einfach dumm gelaufen ist.
Seine überragenden Fähigkeiten, seine Torgefährlichkeit, sein Kopfballspiel, seinen Zweikampfstärke, seine Übersicht… leider konnte er das nur noch wenige Monate auf den Platz bringen: schwere Verletzungen zwangen ihn 2007 zum Karriere-Ende. Heute ist er angehender Manager, hat ein Studium aufgenommen und arbeitet im Fußball weiter mit einer Leidenschaft, die mehr als beeindruckend ist. Danke Vale!!!
Manndecker: Horst-Dieter Höttges
1965 wechselte ein junger Mann aus Gladbach nach Bremen. Niemand konnte damals ahnen, dass er einer der wichtigsten Personen der Vereinsgeschichte werden würde und der Rekordnationalspieler Bremens – Horst-Dieter Höttges. Seinen Spitznamen „Eisenfuß“ hat er nicht umsonst: ein beinharter Manndecker, den die Stürmer bereits damals fürchteten. Solche Typen gibt es heute gar nicht mehr; er würde heute selbst mit nem weghängenden Fuß immer noch weiter kicken.
Dank ihm wurde Werder 1965 erstmals deutscher Meister, Höttges Nationalspieler und Vize-Weltmeister 1966 und Europameister 1972. Den Weltmeistertitel 1974 erlebte er leider nur als Bankdrücker, nachdem er im legendären Spiel gegen die DDR Jürgen Sparwasser hat laufen lassen.
Doch zurück zu Werder: Höttges hätte duzende Male den Verein wechseln können: spätestens ab den 1970er Jahren ging es für Werder steil bergab und der Klassenerhalt war Jahr für Jahr das Maximum der Gefühle. Doch Höttges hängte sich bis ins hohe Alter immer wieder rein für Werder, versprach, dass der Verein nie absteigen werde, so lange er für Werder spiele. Er sollte recht behalten: dank ihm schaffte man es immer irgendwie, den Abstieg zu verhindern. Eine solche Identifikation mit dem Verein wie damals bei Höttges – heute unmöglich! Als er 1978 seine Karriere beendete, spielte Werde noch Bundesliga… 2 Jahre später folgte der 1. und bisher einzige Abstieg Bremens in die 2. Liga, der jedoch gleich 1 Jahr später korrigiert wurde.
Höttges ist seit jeher Bremer durch und durch, sein Herz schlägt auch lebenslang in Grün und Weiß, sei es als Jugendtrainer, ehrenamtlicher Helfer oder Sympathisant, der jedes Heimspiel bis heute verfolgt. Unvergessen für mich, wie der heute nicht gerade dünne Eisenfuß irgendwann mal in Bremen aus seinem Auto ausstieg, nur weil er gesehen hat, dass ich gerne ein Foto mit ihm hätte. Danke Eisenfuß!!!
Libero: Rune Bratseth
Ende der 1980er Jahre kam ein Norweger nach Bremen, den man eigentlich gar nicht wollte: Rune Bratseth kam im Paket mit einem gewissen Veghard Skogheim, der keine handvoll Spiele für Werder gemacht hat. Bratseth indes wurde einer der Leitfiguren der Glanzzeit unter Otto Rehhagel und gewann 2 DFB-Pokale, 2 Meisterschaften und 1 Europapokal.Bei ihm imponierte mir immer seine Ruhe, seine Abgeklärtheit, seine Übersicht. Er war damals ein überragender Libero, ein Ruhepol aber gleichzeitig Führungsfigur. In Zeiten, in denen man maximal 3 Ausländer einsetzen durfte, ein Juwel, oft gejagt von reicheren Clubs. Bratseth, der „Elch“, blieb bis 1994, um seine Karriere in Norwegen ausklingen zu lassen (in der Kabine hing über seinem Platz übrigens immer ein ausgestopfter Elch). 1995 kam er sogar noch einmal zurück als erster „Stand-by-Profi“ der Bundesligageschichte, als Otto Rehhagel kurzfristig einen Notstand in der Abwehr hatte und Rune nicht lange überlegte und sich auf die Bank setzte, falls alle Stricke reißen und er doch noch ein mal gebraucht werden würde.
Dieser Wille, diese Leidenschaft, diese Identifikation – unglaublich eigentlich, wie sehr man sich als Kapitän dieser Glanzzeit aufopfern kann für diesen Verein.
Später war er jahrelang sehr erfolgreich Manager bei Rosenberg Trondheim, die kamen dank seiner klugen Transferpolitik in der Champions League sogar mal ins Viertelfinale. Bis heute ist er Werder verbunden, schaut öfters mal vorbei und hat den Kontakt nie abreißen lassen. Danke Elch!!!
Mittelfeld: Dieter Eilts
Wer 15 Jahre für Werder in der Bundesliga die Knochen hin hält und die erfolgreichste Zeit der Vereinsgeschichte aktiv mitgeprägt hat, darf in dieser Aufzählung kaum fehlen: Dieter Eilts.
Ein Spieler, wie man sie heute nicht mehr sieht. Heimatverbunden, vereinstreu, seriös, skandalfrei. Norddeutsch unterkühlt würden viele sagen… Eilts war in meiner frühen Kindheit der Kopf des Bremer Mittelfeldes, damals hieß es noch „Staubsauger“ vor der Abwehr, heute sagt man im modernen Fußball „6er“. Als Kapitän ein Musterprofi, als Stratege total wichtig, als Kilometerfresser für kreative Köpfe der damaligen Zeit wie Basler oder Herzog unverzichtbar. Ein Lautsprecher war er nie, ein Torjäger auch nicht – doch wenn er mal getroffen hat, dann waren es wichtige Kisten, wie z.B. im Pokalfinale 1991 gegen den 1. FC Köln, der im Elfmeterschießen dann bezwungen wurde.
Besonders stolz bin ich auf ihn, weil er mein erstes fußballerisches Großereignis so maßgeblich mitprägte, dass ich vor stolz fast geplatzt bin: mit dem Gewinn des EM-Titels 1996 stand urplötzlich ein Bremer im Mittelpunkt, den vor dem Turnier keiner auf der Rechnung hatte. Ohne ihn wären wir damals nicht Europameister geworden! Persönlich habe ich von ihm fast mal ein Trikot gefangen, als wir im April 1999 im zweiten Spiel von Thomas Schaaf als Trainer in München gegen 1860 3-1 gewannen und den Klassenerhalt mehr oder weniger perfekt machten. Und auch in diesem Spiel kann ich mich an eine Situation erinnern, als Eilts irgendwo im Mittelfeld einem Ball hinterher sprintete, diesen vor dem Seitenaus rettete und damit ein Tor einleitete. Das war ein typischer Eilts, der immer alles für diesen Verein gegeben hat, der die ganzen „Wunder von der Weser“ gegen Maradona, Dynamo Berlin oder Spartak Moskau miterlebt hat und auch nach der Karriere immer Werder verbunden geblieben ist, mittlerweile leitet er im Nachwuchsbereich die Förderung junger Talente. Völlig zu Recht ein Ehrenspielführer, der auch in der schlechten Zeit nach 1995 immer zu Werder hielt und grün-weiß immer im Herzen trug. Danke Ostfriesen-Alemao!!!
Mittelfeld: Johan Micoud
Keine Frage: Johan Micoud ist DER Spieler, bei dem ich am ehesten daran gedacht habe, schwul zu werden! Nicht, weil er der Hübscheste ist, sondern weil er der Genialste war, dessen Art zu spielen visuelle Orgasmen ausgelöst hat. „Le Chef“ war in meinen Augen der beste Fußballer, der je für Werder gespielt hat. Ein Genie am Ball, ein cleverer Stratege im Spielaufbau, ein eiskalter Vollstrecker vor dem Tor.Als er 2002 aus Parma nach Bremen kam, hatte er eine völlig beschissene WM gespielt, als Frankreich als Titelverteidiger ohne Tor in der Vorrunde rausflog, und war beim AC Parma völlig unten durch. Klaus Allofs holte ihn nach Bremen, ablösefrei!!!! Der beste Schachzug, den Klaus jemals getätigt hatte. Ich kann mich an die Zeit sehr gut erinnern. Wir hatten nach 3 Spielen 3 mal völlig verkackt, standen ganz unten – und dann kam Joe. Sein erstes Spiel war ein Mittwoch Abend daheim gegen Nürnberg. Er machte 1 Bude selbst und bereitete 2 weitere vor. Von dem Moment an wusste in Bremen jeder, was wir da für ein Genie bekommen hatten.
Die Double-Saison 03/04 war wohl das Beste, was die Bundesliga je gesehen hat – mittendrin Micoud. Werder gewann 11 seiner 17 Auswärtsspiele (Rekord), schoss die Gegner reihenweise aus dem Stadion, brillierte mit einem Kurzpassspiel, das seines Gleichen suchte. Ingenieur dieses Erfolges war er, der im Mittelfeld der Kopf der Raute war, von Ernst, Lisztes und Baumann perfekt in Szene gesetzt wurde. Unvergessen sein Weltklassetor in München zum 2-0, dem Tag der Meisterschaft. Unvergessen in der gleichen Saison sein Tor im Pokal zu Hause gegen Wolfsburg, als er in der Verlängerung das Ding sich selbst Volley vorlegte und aus knapp 30 Metern unter die Latte knallte. Unvergessen, wie er in den beiden weiteren Saisons für Gänsehaut in der Champions League sorgte! Die beiden Spiele 2006 im Achtelfinale gegen Juve, als wir so tragisch ausgeschieden sind – das war Fußball vom anderen Stern! Sein Abgang nach Bordeaux, wo seine Karriere wenig harmonisch zu End ging, tat mir so sehr weh, da er das Beste war, was Bremen je gesehen hat. Im Grunde hätte er eine Karriere verdient gehabt wie sein französischer Landsmann Zinedine Zidane, schlechter war Micoud wahrlich nicht, nur hatte er ihn in der Nationalmannschaft immer direkt vor der Nase. So konnte Werder diesen Ausnahmespieler verpflichten und eine richtig geile Zeit mit ihm Einläuten. Diese 4 Jahre von Joe in Bremen waren mit Abstand die Geilsten meiner Fan-Karriere! Danke Le Chef!!!
Mittelfeld: Marco Bode
Rekordtorschütze, Vizeweltmeister, Ehrenspielführer, Werder-Urgestein, Sympathieträger, Mr. Fairness – alles Attribute, die auf Marco Bode passen! Auch einer, der sein Leben lang für Werder spielte, der immer wieder dem dreckigen Geld aus München entsagte und in Bremen blieb. Der Lieblingsschüler von Otto Rehhagel, einer der fairsten Spieler der Bundesligageschichte der, gemessen an seinen Einsätzen, kaum mal eine Gelbe Karte erhielt und in fast 400 Spielen nie vom Platz flog.
Er prägte mein Fandasein auch spürbar: er war immer einer der Aktivsten, der Laufstärksten, der immer am Limit gespielt hat. Bode hat auch überall gespielt, irgendwann mal sogar als Libero, ich weiß grad nicht mehr genau, bei welchem Spiel das war. Seine Art, Fußball zu spielen, hatte für mich immer etwas von einer unfreiwilligen Elleganz, da er eigentlich nie ein ausgewiesener Filligrantechniker wie Micoud oder Herzog war. Aber er kämpfte, rackerte, gewann insgesamt 6 Titel mit Werder und ist mit 101 Bundesligatoren der erfolgreichste Schütze der Vereinsgesichte. Als er 2002 seine aktive Karriere beendete, endete eine Ära in Bremen. Und standesgemäß für einen überragenden Fußballer wurde er zum Abschluss seiner Karriere Vize-Weltmeister und Säule der Mannschaft, obwohl man vor dem Turnier noch hinterfragte, was seine Nominierung überhaupt bringen sollte. Sein Tor im entscheidenden Gruppenspiel gegen Kamerun – Wahnsinn! Noch viel wahnsinniger und immer noch unvergessen sein Tor zum 4-3 im Jahrhundertspiel in der Champions League 1994 gegen den RSC Anderlecht, als Bremen aus einem 0-3 ab der 65. Minute ein 5-3 machte. Rene Hiepen hat das damals kommentiert, ich durfte erstmals wegen eines Fußballspiels wach bleiben (da war ich 5…), bin aber dann nach 0-3 Pausenrückstand ins Bett… so eine Sch****!!!
Auch bei ihm sieht man bis heute, wie sehr er Werder verbunden ist! Für mich wäre er der perfekte Nachfolger von Allofs oder Schaaf als Verantwortlicher, bald kommt er als neues Mitglied in den Aufsichtsrat von Werder. Wenn einer durch und durch grün-weißer ist, dann Bode. Auch neben dem Platz war und ist er ein derbe intelligenter Mensch, hat nebenbei studiert, hat die Schachabteilung von Werder unterstützt und setzt sich stark für Kinder und Jugendliche ein. Ein Vorbild auf und neben dem Platz, der von Nelson Mandela optisch schon mal gerne mit Steffi Graf verglichen wurde. Danke Marco!!!
Mittelfeld: Andreas Herzog
Mit Andi Herzog verbinde ich etwas ganz Besonderes: er war in meinen jungen Jahren DER Überspieler in Bremen, der uns auch in den langen Jahren der Durstrecke nach Otto Rehhagel die Stange gehalten hat und neben Holzhackern wie Brand, Dabrowski oder Flock immer glänzen konnte. Ohne ihn wären wir in dieser Zeit sicher auch das ein oder andere Mal noch tiefer abgerutscht.Einer der besten Transfers von Willi Lemke, als er 1992 aus Österreich kam und uns auf Anhieb zur Meisterschaft führte. Er war für mich immer ein Vorbild, der bis zur letzten Sekunde kämpfte und die Kollegen mitriss. Was 1995 mit dem Wechsel zu den Bayern passierte, konnte ich damals noch nicht richtig nachvollziehen – dass er ein Jahr später voller Reue heim kam und im Tausch mit Mario Basler transferiert wurde, machte den Fehler wieder gut. Jeder kennt wohl die Szene, als er bei den Bayern von Olli Kahn durch den Strafraum geschubst wurde und von da an beim FC Hollywood völlig unten durch war. Wir in Bremen brauchten ihn damals mehr denn je. Seine Genialität am Ball, wie er ihn gestreichelt hat und die Weltklassepässe aus dem Fußgelenk geschüttelt hat… herrlich! Seine Leistung Ende der 90er kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, wenn ansonsten die guten Mitspielern sehr rar gesät sind und er, gemeinsam mit Bode und Eilts, den Laden mehr oder weniger alleine schmeißen musste.
Bei Andi kann ich mich noch sehr gut an wochenlange Exklusivmeldungen der Sport-Bild erinnern, die ganze Foto-Love-Storys über seinen großen Zeh geschrieben haben, der ihm immer wieder Probleme machte und mehr oder weniger über Wohl und Wehe Werders entschied. Generell war seine Verletzungsanfälligkeit nicht toll, doch bei einem Spiel war diese nicht schuld an seinem Ausscheiden: beim legendären Pokalfinale 1999 gegen die Bauern wurde er in der 1. Halbzeit so lange kaputt getreten, bis er kurz vor der Pause raus musste. Umso schöner seine Interviews nach dem Spiel mit dem Pokal in der Hand über Effenberg, der „Super-Pfau“. Da geht einem Werderfan das grün-weiße Herz auf!
Sein sportlicher Abgang aus Bremen war leider nicht so schön damals, ihm wurde ab 2001 plötzlich Kristian Lisztes vor die Brust gesetzt, Herzog war außen vor und beendete seine Karriere dann in den USA. Aber auch für ihn gilt, dass er bis heute immer wieder in Bremen vorbeischaut und den Verein ins Herz geschlossen hat, was ihn auch so sympathisch macht. Danke Herzerl!!
Mittelfeld: Arnold Schütz
Der letzte Mittelfeldspieler der Jahrhundertelf ist mir sportlich nie live unter die Augen gekommen, dafür bin ich einfach zu jung. Als Kopf der Meisterelf von 1965 wurde Arnold Schütz, der immer nur „Pico“ gerufen wird (wegen ihm gab es später mal ein Maskottchen, einen Heidschnuckenbock, der Pico hieß, welcher allerdings eingeschläfert werden musste, nachdem er während eines Spiels auf den Platz rannte und das Spiel störte) deutschlandweit bekannt. Bereits vor Gründung der Bundesliga absolvierte er hunderte Spiele für Werder in der damaligen Oberliga Nord, wo sich Werder lange Jahre mit dem HSV über die Vormachtsstellung im Norden duellierte.
Schaut man sich heute einige Szene der damaligen Zeit an, fällt an Schütz immer seine totale Ruhe am Ball auf, die ich so selten bei einem anderen Spieler gesehen habe. Immer mit dem Auge für den Mitspieler, dazu noch sehr torgefährlich. Damals war es halt noch üblicher, sich für „seinen“ Verein zu zerreißen und so lange zu spielen, bis wirklich der Körper komplett das Streiken begann. So beendete Pico 1972 seine Karriere, in der er ausschließlich für Werder kickte. Neben der Meisterschaft 1965 holte er Werders ersten nationalen Titel 1961, als man erstmals den DFB-Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern gewann. Seine Statistik mit 826 Spielen für Werder sagt eigentlich alles aus. Auch er ist Ehrenspielführer in Bremen, ist regelmäßig im Weserstadion zu Gange und trägt Werder nach wie vor im Herzen. Pico ist einer der wenigen Spieler, der als Spieler, Trainer, Betreuer und Co-Trainer in einem Verein gearbeitet hat. Danke Pico!!!
Sturm: Rudi Völler
Alle kennen ihn, nach der WM 2002 lieben ihn auch alle – doch seinen wahren Durchbruch schaffte Rudi Völler in Bremen, das wissen eben nicht alle. Als blutjunger Topstürmer der 2. Liga kam er 1982 aus München vom TSV 1860 und avancierte in seiner Premierensaison bereits als bester Stürmer der Liga und wurde auf Anhieb Torschützenkönig mit 23 Treffern – der erste in der Bundesligageschichte Werders übrigens. Er war damals das Gesicht für Werders Aufschwung unter Otto Rehhagel nach dem Aufstieg 1981. Unvergessen seine Tore, die er auf unnachahmliche Art und Weise mit allen möglichen Körperteilen erzielte. Schnell löste er als Publikumsliebling seiner Vorgänger im Sturm, Erwin Kostedde, ab und avancierte zum Sturmführer der Nationalmannschaft. Ein Titel mit Werder blieb Völler aber immer verwehrt, sowohl 1983 als 1985 und 86 wurden wir lediglich Vizemeister.Das wäre 1986 anders gekommen, hätte es nicht DIE Geburtsstunde der Rivalität zwischen Werder und Bayern gegeben, an der Rudi Völler „schuld“ war: am vorletzten Spieltag der Hinrunde 1985/86 gastierte Werder bei den Bayern. Rudi Völler, an diesem Tag in Topform, wurde vom damaligen Libero der Bayern, Klaus Augenthaler, vorsätzlich so schwer verletzt, dass er ein halbes Jahr pausieren musste. Alle Fußballfans kennen die Szene und wissen, dass es ein absichtliches Foul war, wofür Augenthaler nur Gelb sah. Die Sprüche der Bayern-Stinker, Völler sei „dumm gefallen“ bzw. „selbst schuld, wenn er so schnell ist“, gehen mir heute noch die Galle hoch!
Aber ganz Werderlike hätte Rudi den Bayern selbst das Maul stopfen können: genau 6 Monate später, am vorletzten Spieltag der Rückrunde, wurde Völler erstmals wieder für Werder eingewechselt und holte den weltbekannten Elfmeter in der 90. Minute heraus, der Werder zum Meister gemacht hätte, wenn Michael Kutzop nicht den Ball an den Außenpfosten gesetzt hätte – sein erster und einziger Fehlschuss seiner Karriere. Nach einer weiteren titellosen Saison wechselte Völler für eine Rekordablösesumme von 10 Millionen Mark zum AS Rom. Jeder dachte, dass Werder damit jegliche Chance auf Titel verkauft hatte – bis 1 Jahr später die deutsche Meisterschaft gefeiert wurde und mit Kalle Riedle ein herausragender Ersatz zur Stelle war.
Mit 97 Toren ist er der zweit-erfolgreichste Torschütze Bremens – im Gegensatz zu Marco Bode und Frank Neubarth, der ebenfalls auf 97 Treffer kommt, hat er dafür aber nur wenige Jahre gebraucht, während die anderen beiden ihre ganze Karriere in Grün und Weiß spielten. Seine herausragende Torquote wird wohl in Bremen keiner mehr erreichen, seine Titellosigkeit wirkt daher mehr als tragisch. Dass er sich heute immer öfter als Rumpelstilzchen durch die TV-Landschaft bewegt, macht ihn auf mich heutzutage weit weniger sympathisch – auch sein Engagement bei Bayer Leverkusen gefällt mir jetzt nicht so. Dennoch ist er ein unvergessener Teil Bremer Fußballgeschichte und der wohl beste Stürmer, der je in Bremen gespielt hat – und das bei der Konkurrenz. Danke Tante Käthe!!!
Sturm: Ailton
Völlers Sturmpartner in dieser Jahrhundertelf ist ein Mann, den heutzutage mittlerweile jeder kennt, was ich eigentlich sehr schade finde. Denn er wird heute nur aufgrund seiner Dschungel-Karriere und seines C-Promi-Status auf der Straße erkannt und nicht aufgrund seiner überragenden, fußballerischen Fähigkeiten: kleines dickes Ailton, Werders Kugelblitz. Er war/ist/wird es immer bleiben mein absolutes Idol – niemals vorher und niemals nachher habe ich einen Spieler bei Werder so vergöttert wie ihn.
Müsste man ihn kurz und knackig beschreiben: dumm, schnell, dick, torgefährlich. Diese Mischung hat aus Toni einen der besten Stürmer der Bundesliga gemacht und 2004 zum ersten ausländischen Fußballer des Jahres in Deutschland. Dieses Jahr werden alle Werderfans auch dank ihm nicht vergessen, als er uns mit 28 Buden zum Titel ballerte, um danach dem Ruf des Geldes zu folgen. Doch die Story Ailton ist weit mehr als dieses Kapitel.
Ich weiß noch wie wenn es gestern war, als Werder 1998 ganz schlecht in die Saison startete, Wolfgang Sidka brutal in der Kritik stand und urplötzlich für die Rekordablöse für Werderverhältnisse von 5,5 Millionen Mark ein Brasilianer in einer Nacht- und Nebelaktion verpflichtet wurde, den kein Mensch wirklich kannte. Am nächsten Tag sah man dann in den Nachrichten einen kleinen, pummelig wirkenden, total eingeschüchterten Brasilianer, von dem man alles erwartete, bloß keine Tore. Und das sollte sich schnell bestätigen: Sidka wurde entlassen, Felix Magath wurde Nachfolger als Werder-Trainer und schmiss Ailton aus dem Kader, da er ihm zu dick und zu wenig trainiert sei. Dabei hatte Toni in seinem 1. Spiel für Werder gleich 2 Buden gemacht, danach fast ein ganzes Jahr aber keine mehr. Man wollte ihn schon wieder abgeben, bis Thomas Schaaf folgte, Werder rettete und Ailton hinbog.
Einfach war es mit ihm nie, er kam ständig zu spät aus dem Urlaub, schmollte, wenn er nicht von Anfang an spielte und lief schon mal divenhaft über den Platz, wenn es nicht lief im Werderspiel. Aber seine Torquote, die hat sich immer sehen lassen! Zuerst blühte er auf, als man ihm mit Claudio Pizarro einen weiteren Südamerikaner an seine Seite stellte, die bald Schlagzeilen machten mit dem Motto „der Pizza-Toni liefert wieder“, nach Pizzas Abgang nach München sorgte er als Alleinunterhalter für die notwendigen Tore. Unnachahmlich seine Kontertore, zum Beispiel damals gegen Nürnberg, als er seinem Gegenspieler mit Ball auf und davon lief und mit dem Außenriss ins lange Eck einschob.
Aber Toni wäre nicht Toni und DER Publikumsliebling bei Werder, wenn er nicht auch ab und an für Lacher sorgte, indem er zum Beispiel das Ailton-Deutsch in jedem Interview aufs Neue auf die Spitze trieb. Gepaart mit seiner nicht gerade klugen Ausdrucksweise platzte im Oktober 2003 die Bombe – ausgerechnet am Tag meines Geburtstages. Werder war gerade sensationell Spitzenreiter der Bundesliga gewesen und alles lief bombastisch… bis Ailton vom damaligen Schalke-Manager Rudi Assauer nach Gelsenkirchen gelotst wurde – ablösefrei, genauso wie Krstajic übrigens. Für mich brach eine Welt zusammen, die Saison schien gelaufen und der Traum, dass Werder ganz vorne mitspielen könnte, platzte spätestens am folgenden Spieltag, als man zu Hause gegen den VFB Stuttgart 1-3 verlor.
Doch Toni wäre nicht Toni, wenn er sich in der Folgezeit nicht reingehauen hätte wie ein wahnsinniger und für Tore am Fließband sorgte. Seine Wehmut nach dem Double 2004 war echt, er wusste es bereits damals, dass es ein riesen Fehler war, nach Schalke zu wechseln.
Nach 2004 ging es mit Toni steil bergab – und mir blutete das Herz. Nirgendwo anders hatte Toni so viel Freude und Vertrauen wie in Bremen, nirgendwo hat ein Trainer ihn so genommen wie Thomas Schaaf, nirgendwo wurde er so geliebt. Schalke, Besiktas Istanbul, Hamburg, Belgrad, Duisburg, Donetzk, Grashoppers Zürich, FCR Altach, KFC Uerdingen, Oberneuland… nur einige seiner weiteren Stationen, die ihn immer mehr ins Lächerliche haben abdriften lassen. Klar, er war nie der Hellste, aber das hat auch Toni nicht verdient. Ich werde aber nicht die heutige Zeit in Erinnerung behalten, wo er bei RTL Hoden und Schwänze isst, sondern seine Zeit in Grün-Weiß, die die Schönste war, die ich miterleben durfte! Danke Kugelblitz!!!
Trainer der Jahrhundertelf: Otto Rehhagel
Die Ära „Schaaf“ habe ich natürlich eher miterlebt als die 14 Jahre Regentschaft von König Otto I. Aber ich habe bewusst Otto gewählt, da ich seine Verdienste für Werder noch höher anrechne als die von Schaaf, der derzeit alles dafür unternimmt, Werder wieder zur grauen Maus zu machen, nachdem er mit hervorragender Arbeit seit 1999 für viele schöne Momente und Titel sorgte.
Rehhagel kam im Winter 1980 als Ersatz für Trainer Kuno Klötzer, der Werder in der 2. Liga übernahm und sich bei einem Autounfall schwer verletzte. Es war die Zeit des Umbruchs in Bremen: Neuzugänge wie der 40-jährige Klaus Fichtel, Erwin Kostedde, Norbert Meier oder Rigobert Gruber sorgten für den direkten, souveränen Wiederaufstieg unter Otto Rehhagel, der bereits 1976 Werder kurzzeitig betreute und zum Klassenerhalt führte. Die Jahre danach etablierte Otto Werder als Spitzenteam der Liga, ohne jedoch bis 1988 einen Titel zu holen. 1982 als Aufsteiger UEFA-Cup Teilnehmer, 1983, 1985 und 1986 Vizemeister. Erst 1988 mit dem Gewinn der Schale holte Otto den ersten Titel. Zwischen 1991 und 1994 folgten jedes Jahr ein weiterer Titel: 2x DFB-Pokal, 1x Deutscher Meister, 1x Europapokalsieger der Pokalsieger, der größte Triumph der Vereinsgesichte, der mit einem 2-0 in Lissabon gegen den AS Monaco erreicht wurde.
Vater des Erfolges war Rehhagel, der aus Spielern wie Völler, Meier, Riedle, Bratseth, Eilts, Votava, Bode, Herzog, Hobsch, Rufer, Beiersdorfer und Co. Bundesligastars formte und verantwortlich war für zahlreiche „Wunder an der Weser“. Legendär seine Interviews, legendär seine Einstellungen zum Fußball. Mit kontrollierter Offensive zum Erfolg – König Ottos Rezept. Auch wenn Thomas Schaaf möglicherweise bald die Amtszeit von Otto übertreffen wird – die 14 Jahre Rehhagel in Bremen waren die Besten der Vereinsgeschichte. Dass auch er nach 14 Jahren nach München wechselte, wo man ihn nach einem halben Jahr vom Hof jagte, da er mit dem Rummel und den Skandalen einfach nicht zurecht kam, ist mehr als traurig, zeigt im Umkehrschluss aber, was die Leute alle an Bremen haben! Seine weiteren Karrierestationen, der sensationelle Titelgewinn mit dem Aufsteiger Kaiserslautern 1998 oder der EM-Titel mit Griechenland 2004 zeigen seine zweifelsfreie Klasse als Fußballtrainer, die er in Berlin gerade allerdings etwas ramponiert.
In Bremen haben sie Otto ein Denkmal gesetzt – und das völlig zu Recht. Seine Art, seine Wirkungsweise und seine Methoden haben Werder zu dem gemacht, was es heute ist: zu einer Spitzenmarke im deutschen Fußball. All das ist maßgeblich mit dem Trainer Otto Rehhagel verbunden, der aus einem Zweitligisten einen Europapokalsieger formte. Danke König Otto!!!